Seit ihrer Einrichtung ist die DMZ Niemandsland und bis auf gelegentliche militärische Zusammenstöße eine Zone, die Menschen nicht offensteht. Wie die unlängst erfolgte Anerkennung der DMZ als UNESCO-Biosphärenreservat zeigt, gilt dieses Produkt des Kalten Krieges heute als Zufluchtsort für gefährdete Tiere und Pflanzen. In seiner Forschungsarbeit untersucht der Postdoktorand Jaehwan Hyun, wie sich Umweltschutz, Wissenschaft und Geopolitik mit der während des Kalten Krieges militärisch unterstützten Feldforschung verflochten und sich damit eine neue ökologische Vision für die DMZ eröffnete.
Eine komplizierte Beziehung
Der opportunistische Triumph nicht-menschlicher Wesen in dieser Militärlandschaft steht im Mittelpunkt des Interesses von Umwelthistorikern, der politischen Geographie und Anthropologen, die sich die Frage stellen, wie der Kalte Krieg die Umwelt in der DMZ geformt und die Beziehungen zwischen Mensch und Tier verändert hat. Wenn man den Blick auf die wissenschaftlichen Aktivitäten in dem Grenzgebiet und seiner näheren Umgebung lenkt, mit Hilfe von Zeitzeugeninterviews mit lokalen Wissenschaftlern und Archivquellen aus privaten Bibliotheken und offiziellen US-Archiven, dann wird offensichtlich, dass die Art der Begegnung von Mensch und Tier, die ökologische Bedeutung der DMZ und die Beziehung zwischen militärischer Pufferzone und Geopolitik heterogener und komplizierter sind als bisher angenommen.
Unterschiedliche Ansätze im Hinblick auf die DMZ
Bereits zu Beginn des Kalten Krieges begannen Ökologen, Veterinärmediziner und Nationalparkplaner mit der Erforschung der Flora und Fauna im Grenzgebiet. Trotz ihrer Verbindung zum US-Militär waren die Forschungen jedoch durch unterschiedliche Ziele und Strukturen geprägt. So verstanden die Ökologen die Grenze als geschlossenes Ökosystem und befassten sich mit der Bewuchskontrolle zum Zwecke der militärischen Überwachung, während sich die Veterinärmediziner auf die Beobachtung der grenzüberschreitenden Wanderung von Ratten und anderen Tieren konzentrierten, welche ein Risiko für die Verbreitung ansteckender Krankheiten in Kasernen des US- und südkoreanischen Militärs in der Umgebung der DMZ darstellten. Die Nationalparkplaner forschten indessen nach charismatischen „gefährdeten“ Tieren, die dazu dienen konnten, in dem noch in Entwicklung befindlichen Land die Notwendigkeit von Nationalparks darzustellen. Auch die Beziehungen zwischen Mensch und Tier waren heterogen: Einige Tiere sollten erklärtermaßen geschützt, andere ausgerottet werden, in manchen Fällen sollten Angehörige einer Art gar erhalten und getötet werden. Der Grund für die Erklärung des südlichen Teils der DMZ zum nationalen Naturschutzgebiet waren am Ende Kraniche, die in die Zone flogen. Sie waren ursprünglich im Rahmen der Studie „Migratory Animal Pathological Survey“ der US-Armee (1963-73) beobachtet worden, mit der die Zugwege von Vögeln und Fledermäusen sowie die Ektoparasiten ermittelt werden sollten, die die Tiere mit sich brachten.
Die Entstehung des globalen Umweltschutzes und die grüne „Dritte Welt“
Durch Untersuchung der Feldstudienplanung und -praxis von Ökologen und Nationalparkplanern in den 1960er und 1970er Jahren wirft diese Forschungsarbeit auch ein neues Licht auf die Entstehung des globalen Umweltschutzes und seine Verbreitung in der damaligen „Dritten Welt“. Obgleich die Idee der nachhaltigen Entwicklung erst nach den späten 1970er Jahren aufkam, mussten sich die in aufstrebenden Ländern tätigen US-Nationalparkplaner mit den Entwicklungsbestrebungen der örtlichen Regierung und Wissenschaftler ins Benehmen setzen. Mitte der 1960er Jahre entwickelte Harold Jefferson Coolidge (1904–85), Vorsitzender des Nationalparkdienstes der Weltnaturschutzunion (IUCN), zusammen mit amerikanischen Ökologen der Smithsonian Institution einen langfristigen (wenn auch nicht umgesetzten) Plan zur Untersuchung des DMZ-Ökosystems und zur Ausweisung des Gebiets als Forschungspark. Die erste Priorität im Planungsprozess war, die örtliche Regierung von der Notwendigkeit einer Ausweisung als Forschungspark zu überzeugen – daher wurde die Meinung vertreten, dass die Praktiken des Naturschutzes und die Umweltforschung für die Entwicklungsbestrebungen der örtlichen Regierung von Vorteil seien. Die US-Wissenschaftler und Umweltschützer konnten das Entwicklungsbestreben der Südkoreaner nicht ignorieren, denn die US-Regierung unterstützte die wirtschaftliche Entwicklung des geteilten Landes, das als Vorzeigeprojekt für den kapitalistischen Westen dienen sollte, in hohem Maße. Die einheimischen Wissenschaftler bemühten sich auch darum, ihre Umweltforschung in dem nationalen Fünfjahresplan zur wirtschaftlichen Entwicklung unterzubringen. In dieser Hinsicht war die DMZ ein frühes Testfeld für die Verbindung von Umweltschutz und wirtschaftlicher Entwicklung.
Tradition, Nationalismus und Nationenbildung
Ökologen und Umweltschützer aus den USA mussten die nationalistische Aneignung verschiedener Feldstudien von Seiten einheimischer Wissenschaftler in Kauf nehmen. So wurden Feldstudien unternommen, deren Ziel es war, die Vorstellung einer unberührten Natur der Nation jenseits der Bedrohungen durch Kommunismus, Imperialismus und Moderne zu schaffen. Seit der Kolonialherrschaft Japans hatten die Südkoreaner eine Tradition entwickelt, Wanderforschung zu betreiben, d. h. die Freizeitaktivitäten des Wanderns mit naturkundlichen Forschungen zu verbinden, um die nationale Fauna und Flora zu erkunden, die in der Lage wäre, die Einzigartigkeit der Nation zu repräsentieren. In einem materialistischen und symbolischen Regimewettbewerb mit Nordkorea setzten einheimische Wissenschaftler diese Praktiken der Wandertradition in der DMZ bei einer gemeinsamen Feldstudie mit den USA fort, obgleich das Projekt eigentlich als „ökologische Studie“ lief. So wurde im Busch der DMZ nach nationalen Tieren und Pflanzen wie Tigern und Kiefern gesucht, die angeblich vom japanischen Kolonialismus bedroht waren. Weder das US-Militär als Finanzgeber noch die wissenschaftlichen Mitarbeiter aus den USA waren an einer solchen Arbeit interessiert. Gelegentlich gab es daher Auseinandersetzungen mit den einheimischen Wissenschaftlern, bei denen der koreanischen Seite ein Unverständnis der Ökologie und „primitiver“ Naturalismus vorgeworfen wurde. Bald hatte man jedoch verstanden, dass es besser war, die Südkoreaner ihre Feldstudien fortsetzen zu lassen: Nur Koreaner konnten hier langfristig forschen, und nur sie besaßen das örtliche Feldwissen. Die koreanischen Wissenschaftler publizierten die Feldstudienergebnisse am Ende in einem Propagandabuch der Regierung, in dem die DMZ als ein Vorzeigeprojekt für „die Wiederherstellung der koreanischen Natur“ beschrieben wird (Kŭmsugangsan). Damit wurde diese Umweltkooperation zu einem Mittel der Nationenbildung.
Das ambivalente Vermächtnis der Militärökologie
In letzter Zeit wird die DMZ durch die örtliche Regierung und externe Beobachter in den Fokus einer „grünen“ Sicherheitsdiplomatie gestellt (Lisa Brady, "Korea’s Green Ribbon of Hope: History, Ecology, and Activism in the DMZ”). Der südkoreanische Präsident Moon Jae-in versprach bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September 2019, die DMZ in einen „friedens- und kooperationsorientierten Distrikt“ zu verwandeln. Sein Vorschlag ist eine weitere Formulierung der DMZ-Diplomatie, wie sie auch seine Vorgänger seit Anfang der 1990er Jahre betrieben haben. Die Haupttaktiken, um Nordkorea an den Verhandlungstisch zu bringen, sind dabei die Zusammenarbeit und Forschung im Bereich Umwelt sowie der Ökotourismus in der Zone. Die aktuelle Umweltdiplomatie setzt auf eine bestimmte Version des Umweltkonzepts für die DMZ, das von Militärökologen geschaffen wurde. Jedoch wird die andere Seite ihrer wissenschaftlichen Aktivitäten, die während des Kalten Krieges betrieben wurden, dabei nicht ausreichend berücksichtigt. Jaehwan Hyuns Projekt berichtet uns von dem ambivalenten Vermächtnis der Militärökologie. Während US-Ökologen beispielsweise einerseits Naturschutz und Forschung im Grenzgebiet forderten, rieten sie dem Militär ebenso, Agent Orange zur Entlaubung von Bäumen und Pflanzen einzusetzen. Das vorliegende Projekt versucht, diese ambivalente Natur des militärischen Umweltschutzes und die Rolle der Wissenschaft bei der Bildung von Militärlandschaften während des Kalten Krieges näher zu beleuchten.