Ziel des Projektes ist die Betrachtung neuen Wissens, neuer Techniken und Materialien bei der Maskenherstellung, die Verfolgung der Prozesse bei der Erfindung und Adaptation und die Frage, wie Wissensansprüche und technische Funktionalitäten begründet und verteidigt werden. Das Projekt ist geographisch breit angelegt, erhebt dabei jedoch keinen Anspruch auf Universalität und umfasst eine wachsende Sammlung von Essays über Masken aus aller Welt. Bereichert wird das Projekt durch Interventionen von Kunstschaffenden sowie durch Interviews mit Menschen, die mit dem Objekt des Begehrens auf immer wieder besondere Art zu tun haben.
Geschichten der Maskierung
Masken und Materialität gehören nicht nur aufgrund ihrer Alliteration zusammen. Beim Besuch der Seite themaskarrayed.net werden wir von einer schillernden Collage der in Berlin lebenden Künstlerin Regina Maria Möller empfangen. Sie lädt uns ein, Formen, Gestalten und Funktionen von Masken und Gesichtern, die später in den einzelnen Essays wieder auftauchen werden, visuell zu erforschen. Die Autorinnen und Autoren der Essays bieten uns sowohl historische Perspektiven als auch aktuelle Beobachtungen und bringen dabei ihre spezifischen Kenntnisse und Interessen ein. Jan Henning, Technikhistoriker an der Universität Toronto, erinnert uns daran, dass Masken zu den frühesten Artefakten der Menschheitsgeschichte gehören. In seinem Essay reflektiert er die Funktion der Maske als Medium der Transformation und Verwandlung und stellt die Entwicklung von Schutzausrüstungen in den Zusammenhang mit einer veränderten Wahrnehmung von Gefahr und Sicherheit.
Ein Schutz kann jedoch auch auf Kosten des Körpers gehen. Wie Menschen in Korea früher mit maskenbedingten Schmerzen umgingen und dies während der aktuellen SARS-CoV-19-Krise tun, steht im Mittelpunkt der Geschichte von Jaehwan Hyun. Der Medizinhistoriker erzählt uns, welche Wege Taucherinnen aus Korea und Japan gefunden hatten, um Schmerzen zu vermeiden, die ihre Masken beim Tauchen nach Meeresfrüchten verursachten. Thema des Essays von Jadie Iijima sind medizinische Masken. Sie erörtert einerseits die Gründe für das Maskentragen in Japan und damit verbundene Rituale, andererseits aber auch die Risiken einer kulturellen Abhängigkeit von Masken im nicht-medizinischen Bereich.
Wie die Genderforscherin Marianna Szczygielska zeigt, können wir, wenn wir die Maske als Teil des Körpers betrachten, die verschiedenen Funktionebenen enthüllen, die die Maske ihren Benutzerinnen und Benutzern bietet. Damit Masken funktionieren, müssen sie eng anliegen und dennoch biokompatibel sein ─ ein Begriff, den Marianna Szczygielska in ihrem Essay über Geschlecht und Maske vorstellt. Da eine standardisierte Schutzausrüstung universell verwendbar sein muss, passt sie gerade nicht für alle Körperformen. Atemschutzvorrichtungen wurden ursprünglich für Soldaten und Bergleute und damit überwiegend für den männlichen Körper entwickelt. Die Feminisierung der Pflegeberufe, in denen diese persönliche Schutzausrüstungen aktuell am meisten gebraucht werden, ist hierbei nicht berücksichtigt. Damit ist die angebliche Universalmaske kein neutrales Objekt mehr, sondern wird zu einem Signal für geschlechtsspezifische Aspekte der Arbeit in der Pflege und für Verwundbarkeit inmitten der Pandemie.
Gedämpfte Sinne
Die materielle Ausdehnung unseres Gesichts erschwert nicht nur das Atmen ─ sie verändert auch unsere Sinneswelt. Sprechen, Berühren, Riechen und Schmecken werden schwierig. Noa Hegesh, eine Historikerin, die sich mit der Geschichte von Ton und Klang beschäftigt, berichtet, wie ausgerechnet die Maske, die ja sowohl in mentaler wie in physischer Hinsicht Auswirkungen auf unseren Körper hat, zur Verhinderung einer Krankheit verwendet wird, die wiederum ihrerseits zu Geruchs- und Geschmacksverlust führen kann. Die Dämpferfunktion der Maske macht diese auch zu einem Symbol der Unterdrückung. Lange vor der Pandemie entwarfen die vietnamesischen Künstler Tran Tuan und Ngoc Tu Hoang Gesichtsmasken mit dem Bild eines Fisches, um damit auf eine Umweltkatastrophe aufmerksam zu machen, die sich 2016 ereignet hatte. In einem Interview spricht Tuan angesichts der Rückkehr der Maske als Symbol der aktuellen Krise über dieses provokative Projekt der beiden Künstler.
Tatsächliche Artefakte: Materialien online stellen
Da die Maske als materielles Objekt im Zentrum des Projekts „The Mask—Arrayed“ steht, gab es im Rahmen des Projekts auch materielle Reflexionen über das Objekt. In Anlehnung an Jan Hennings Argument, dass Masken Artefakte sind, die verschiedene Formen der Transformation und Verwandlung befördern, wie z. B. „schlechte Luft in gute Luft“, experimentierten die Künstler Regina Maria Möller und Dinu Bodiciu in ihrem gemeinsamen Kunstprojekt „Exquisite Masking“ mit dem virtuellen Austausch von Ideen zur Verwandlung von Stoff in Masken, die sich dann wiederum in andere Bedeckungen verwandeln. Zur Einbeziehung der handwerklich begabten Leserschaft und als spielerische Bastelversion für den sogenannten Mund-Nasen-Schutz entwarf Möller auch einen „Erste-Hilfe-Maskenkoffer“, der auf der Website abgerufen werden kann.
Die Zukunft der Maske
Wird uns die Maske dauerhaft begleiten? Oder wird sie sich wieder auf die Medizin und die anderen spezialisierten Arbeitsbereiche zurückziehen, in denen sie schon seit langem existiert? Das Projekt „The Mask—Arrayed“ ist in hochdynamischen Zeiten entstanden, läuft weiter und ist offen für neue Beiträge zu historischen und aktuellen Darstellungen und Verwendungen der Maske.
Das Projekt „The Mask—Arrayed“ wird von Carolin Roeder und Marianna Szczygielska gemeinsam geleitet. Mitglieder des Kernteams sind Noa Hegesh, Jadie Hokuala Iijima Geil, Jaehwan Hyun (alle MPIWG), Jan Henning (Universität Toronto) und die in Berlin lebende Künstlerin Regina Maria Möller. Die technische Realisierung der Projektwebsite wurde durch Florian Kräutli und Robert Casties vom Digital-Humanities-Team des MPIWG ermöglicht.